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Das Kapillarsystem mit Kapillaren - was ist eine Kapillarität?

Kapillarität bestimmt einerseits, wie schnell ein Bauteil wie viel Wasser aufnimmt, wenn es direkt mit Feuchtigkeit in Berührung kommt (Regen, Spritzwasser in Küche und Bad, Bodenfeuchte, Kondenswasser); andererseits bestimmt sie die Austrocknungsgeschwindigkeit neuer oder renovierter Bauteile oder von Wänden, in denen durch Diffusion transportierter Wasserdampf zu Wasser auskondensiert ist.
Ein brauchbares Maß für die Kapillarität von Baustoffen ist der Wasseraufnahmekoeffizient(w). [Der Wasseraufnahmekoeffizient gibt an, wie viel Wasser der Stoff innerhalb einer bestimmten Zeit aufnimmt.] Er gibt an, wie viel Wasser gemessen in Kilogramm durch einen Quadratmeter benetzter Fläche in einer bestimmten Zeit - zum Beispiel in einer Sekunde oder einer Stunde - in das völlig trockene Material eindringt. Für viele Baustoffe mit einen kleinen Wasseraufnahmekoeffizienten, also nur gering ausgebildeter Kapillarität, ist eine besonders hohe "Wasseraufnahme" charakteristisch.

Beim Kapillartransport wird eine große Menge von Wasser transportiert. Dagegen ist es bei der Wasserdampfdiffusion viel weniger.

Gut ausgebildetes Kapillarsystem mit Kapillaren unterschiedlichen Durchmessers:
a) Großes Wasseraufnahmevermögen, großes Feuchteabgabevermögen zum Beispiel Ziegel, Gips

b) Geschlossenzellige Struktur mit wenigen Kapillaren zwischen den Zellen:
Großes Wasseraufnahmevermögen, geringes Feuchteabgabevermögen, zum Beispiel Gasbeton

c) Struktur mit kleinen, abgeschlossenen Poren und Kapillaren:
Geringes Wasseraufnahmevermögen, geringes Feuchteabgabevermögen, zum Beispiel Schwerbeton, Blähton-Beton
Kapillare Strukturen im Mauerwerk

Materialien mit stark ausgeprägter Kapillarität transportieren pro Quadratmeter benetzter Fläche in der ersten Stunde leicht 20 Liter und mehr (je feuchter das Material wird, desto weniger Wasser nimmt es zusätzlich auf).
In Materialien mit stark ausgeprägter Kapillarität wird flüssiges Wasser beliebig weit transportiert, und zwar in einem Material jeweils von den feuchteren zu den trockeneren Regionen. In Bauteilen aus Schichten mit unterschiedlicher Kapillarstruktur wandert das Wasser immer in Richtung der Schicht mit den feineren Kapillaren (beziehungsweise mit dem höheren Wasseraufnahmekoeffizienten); Schichten mit gröberen oder unvollkommeneren Kapillaren beziehungsweise kleineren Werten für w) werden geradezu trocken gesaugt.

Kapillartransport von Wasser gegen den Wasserdampfdiffusionsstrom kommt oft vor, im Winter ist das sogar die Regel. Wenn in einem Baustoff mit ausgeprägter Kapillarität Wasserdampf auskondensiert, beginnt im selben Moment der Transport des Kondenswassers in Richtung der geringeren Materialfeuchte, also zur wärmeren Seite der Wand, wo das Kondenswasser wieder verdunsten kann. In solchen Schichten gibt es oft auch dann kein Durchnässen durch Kondenswasser, wenn sie rechnerisch zu erwarten wäre. Die Kapillarkräfte wirken beim senkrechten Transport auch gegen die Schwerkraft - theoretisch zwar nicht unbegrenzt, in der Praxis kann man die Schwerkraft aber vernachlässigen. Auf diese Weise bleiben in Altbauten auch Kellermauern ausreichend trocken, die nicht gegen Feuchtigkeit aus dem Boden abgesperrt wurden.

Man darf auf keinen Fall den Kapillartransport behindern. Im Keller durch eine dicht schließende innen liegende Feuchtigkeitssperre (siehe hier unter Dampfbremse) oder im oberirdischen Mauerbereich, wenn man die Fassade im Sockelbereich zum Schutz gegen den Regen wasserhemmend, Wasser abweisend (Hydrophobierung) oder sogar wasserdicht beschichtet. Vor der Beschichtung müssen dann zunächst Fundament und Kellermauern gegen eindringende Feuchtigkeit aus dem Boden abgesperrt werden.
Besonders kritisch wird dies bei einer Altbausanierung, wenn der feuchte Sockel mit Klinker verkleidet oder ein dicht schließender Zementputz aufgetragen wird. Die Feuchtigkeit steigt dann weiter nach oben und kann dann erst in Fensterhöhe des Erdgeschosses nach innen und außen entweichen.

Beim Austrocknen von neuen porösen Baustoffen in Wänden, Böden oder Decken wird die überschüssige Feuchtigkeit zunächst nur durch Kapillartransport an die Bauteiloberflächen befördert, wo diese verdunsten kann. Poren und Kapillare im Mauerwerk, Wechselwirkung zwischen Kapillare und DiffusionWenn die Materialporen nicht mehr vollständig mit Wasser gefüllt sind, beginnen die Wasserfäden in den Kapillaren zu reißen, die Trocknung verlangsamt sich. Allmählich setzt die Dampfdiffusion ein, bis das Bauteil seine praktische Feuchte erreicht hat (siehe im Beitrag Mauerfeuchtigkeit unter Tabelle 1). Das ist der Feuchtegehalt, der in jedem Bauwerk immer als Rest erhalten bleibt und in Wechselwirkung zur angrenzenden Luftfeuchte steht. Je nach Bauteildicke, Anfangsfeuchte, Besonnung, Durchlüftung und anderen äußeren Einflüssen dauert das mehrere Monate bis mehrere Jahre.

Am längsten dauert es bei Materialien mit schwach ausgebildeter Kapillarität und einem hohen Sättigungswassergehalt.
Am schnellsten geht es bei Baustoffen mit hoher Kapillarität, wie etwa Vollziegeln. Sie haben bei mittleren Rohdichten Wasseraufnahmekoeffizienten um 20-30 kg/(m2h 0,5) gegenüber Kalksandsteinen mit 10 und Gasbeton 4-8 und Kunstharzputz mit 1. Weitere Werte unter Baustoffkatalog.

Die Kehrseite dieser wünschenswerten Eigenschaft ist, dass solche Ziegel auch chemisch aggressive Niederschläge schneller und weiter ins Bauteil transportieren als Materialien mit geringerer Kapillarität. Sehr viel besser als Vollziegel verhalten sich Lochziegel. Bei ihnen ist die beim Kapillartransport wirksame Fläche durch die Lochung verkleinert. Hochlochklinker oder Hochlochvormauerziegel sind deshalb für Sichtfassaden besonders gut geeignet. Der beste Schutz von Bauteilen aus Materialien mit hoher Wasseraufnahmefähigkeit sind hinterlüftete Verkleidungen (Holz, Schiefer) oder Fassadenbepflanzungen. (Siehe hierzu älteren Beitrag zur Fassadenbegrünung.)

Kapillarität physikalische Erläuterung und Rechenbeispiel.

Quelle:Eichler, Friedrich; Arndt, Horst; Bautechnischer Wärme- und Feuchtigkeitsschutz 1989; Bauverlag
Kur, Friedrich; Wohngifte, Handbuch für gesundes Bauen und Einrichtungen, 3. Aufl. Verlag Eichborn, 1993, S. 545


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