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5.3. Elektrophysikalische Verfahren zur Mauertrocknung (Mauerentfeuchtung)

5.3.1. Prinzip der elektrochemischen Entsalzung und Reduzierung des kapillaren Wassertransportes (aktive Verfahren)

Diese Verfahren zur Mauertrockenlegung sind bis heute äußerst umstritten. Obwohl das theoretische Prinzip bekannt ist, steht der Verwirklichung häufig die praktische Durchführbarkeit entgegen.

Zum Beispiel in der ÖNORM B3355-2 wird die aktive Elektroosmose genormt. Diese Norm ist anzuwenden für Maßnahmen an bestehendem Mauerwerk, die der Verhinderung oder Begrenzung des kapillaren Aufsteigens von Feuchtigkeit dienen. Es werden ausschließlich Verfahrensgruppen berücksichtigt, deren Wirkungsweise wissenschaftlich allgemein anerkannt und deren praktische Tauglichkeit erwiesen ist. Geräte, die sich auf Magnetokinese, Radiowellen u. a. beziehen, werden in dieser ÖNORM nicht behandelt.

Bewegt sich Wasser durch eine Kapillare, wird an der Kapillarwand eine diffuse elektrische Doppelschicht aufgebaut. Durch den Wassertransport wird ein Teil der Ladungen mitgerissen. Dabei bildet sich ein Potenzial aus, das als Strömungspotenzial bezeichnet wird. [15] Bei einer gemauerten Wand ist das Potenzial an der Wandoberfläche genauer in der oberflächennahen Schicht am größten und im Wandinneren schwächer. Das Potenzial wird vom Versalzungsgrad weitgehend mitbestimmt. Es handelt sich also um elektrochemische Potenziale. Es finden elektrolytische Vorgänge in der Wand statt, die deshalb für die Dissoziierung (Spaltung in Anion und Kation) eine Spannung benötigen. Es handelt sich hierbei um eine Elektrolyse. In der Praxis spricht man von einer Osmose. [16] Es kann bisher nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, ob durch die angeregte Ionenwanderung nicht auch Ca- und Si-Ionen zur Elektrode wandern und es so langfristig zu einer Verdürrung des Mauermörtels kommt. [16]

"Bei günstigen Verhältnissen von Porenradius zur Dicke der Doppelschicht wird der Wassertransport erheblich vergrößert, doch auch nur in feinporigen Systemen. Die übliche Doppelschichtdicke liegen bei einigen 10-9 m, die üblichen Porengrößen bei 6-10-6 m. Überschreitet die elektrische Doppelschichtdicke einen kritischen Wert x, dann überlappen sich die Doppelschichten und der Wassertransport behindert sich gegenseitig.
Der häufigste Porenradius im Zementmörtel liegt bei etwa 100 nm. Daran ist zu erkennen, dass eine rein elektrokinetische Trocknung sich nur auf einen kleinen Teil des Porensystems beschränken kann. Die Porosität von Ziegel schwankt in noch viel größeren Bereichen. Daher ist es durchaus erklärlich, dass eine entsprechende Trocknungsanlage bei einem Objekt funktioniert und bei einem anderen (aus anderem Ziegelmaterial) versagt."[24]

Es sind mindestens 4 verschiedene Mechanismen des Ionen- und Wassertransportes in porösen Systemen wirksam, die mehr oder weniger verstärken oder auch ausschließen.
Während beim Transport die Richtung der Ionen und Elektronen durch die Ladung bestimmt wird, treten beim Wassertransport Probleme auf, da nicht alle Mechanismen gleichzeitig wirken müssen. Der Wassertransport infolge der unterschiedlichen Hydrationszahlen erfolgt meistens in Richtung Kathode, da Kationen stärker hydratisiert sind als Anionen. Größere Salzionen zum Beispiel Ca(OH)2 schieben auf ihrem Weg zur Elektrode (Anode) das in den feien Poren befindliche Wasser vor sich her (Bulldozer-Effekt). Dies ist abhängig vom Durchfeuchtungsgrad und der Porenradienverteilung, wobei der Effekt in großen Poren nicht mehr wirkt. Weiterhin hängt die Richtung des Wassertransportes von der Polarität der Doppelschicht und dem damit verbundenen Vorzeichen des Zeta-Potenzials ab. [24]

Unter Laborbedingungen an einer überschaubaren Probe kann der Prozess der Elektromigration nachgewiesen werden. Das heißt, Wasserbewegungen können durch von außen aufgeprägte elektrische Felder initiiert werden, wenn die erforderlichen Bedingungen eingehalten werden. Allerdings können unter diesen Bedingungen gewonnene Erkenntnisse der Elektrophysik beziehungsweise der Elektrochemie nicht ohne Weiteres auf die Bedingungen eines Bauwerkes übertragen werden. [23] Bei Untersuchungen zur elektroosmotischen Permeabilität von Mauerwerksbaustoffen wurden darüber hinaus Versuche an Ziegel/Mörtel-Verbundkörpern durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass "die elektroosmotische Permeabilität von Kalkmörteln im Gegensatz zu Ziegelbaustoffen ein negatives Vorzeichen besitzt, das heißt, der Flüssigkeitsstrom in entgegengesetzter Richtung verläuft. Diese Tatsache könnte sich unter Umständen als ein Hindernis für den erfolgreichen Einsatz elektrophysikalischer Verfahren herausstellen." [33]

Elektroosmotische Vorgänge im Mauerwerk sind kaum überschaubar, um gerichtete Feuchtetransporte zu bewirken. Insofern sind elektroosmotische Verfahren (Wassertransport in porösem Substrat) kein taugliches Prinzip zur Entfeuchtung von Mauerwerk. [15] Ein wesentliches Problem bei der praktischen Durchführbarkeit ist die mangelnde Resistenz der Elektroden wegen der Mauersalze [15], was unter anderem auch die Effizienz und Dauerhaftigkeit der Funktionsfähigkeit beeinflusst. Die Wirksamkeit einer solchen elektrophysikalischen Anlage kann im Laufe der Zeit durch die Änderungen der oben genannten Einflussfaktoren beeinträchtigt werden. Daher ist die Wirkung bei diesen Anlagen ständig durch Messung der Feuchtigkeit und der Zustand der Elektroden zu kontrollieren.

Wie bereits genannt, lässt sich nicht jedes Mauerwerk mit diesem Verfahren trocknen. Daher sind gründliche Voruntersuchungen erforderlich. Der Grad der Abtrocknung ist weitestgehend vom Stromfluss abhängig. Ist dieser kleiner als etwa 10 mA je Quadratmeter Mauerwerkquerschnitt, so ist mit keiner erfolgreichen Trocknung zu rechnen. Auch bei wesentlich höherer Stromdichte kann ein feuchtes Mauerwerk mit 10 % (Masse) nicht auf Werte von 2-3 % (Masse) getrocknet werden. Es verbleibt eine Restfeuchte, die oft für die übliche Nutzungskonzeption zu hoch ist. [18]


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